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Familie Leopold

Sittarder Straße 20
Lion  Ida  Hugo  Frieda  Else  Erich 

In der Gangelter Sittarder Str. 70, heute Nr. 20, lebte die Familie des Koscherschlachters und Vorbeters der jüdischen Gemeinde Lion Leopold mit seiner Ehefrau Ida und seinen vier Kindern Hugo, Frieda, Else und Erich in friedlicher Nachbarschaft. Einmal in der Woche kam der hiesige Rabbiner um den jüdischen Kindern im Hause Leopold die Thora zu lehren.

Jedoch wurde die Situation für die noch in Deutschland und in Gangelt lebenden Juden im Laufe des Jahres 1938 äußerst schwierig und letztendlich lebensbedrohend. Lion und seine beiden Söhne waren zuvor gemeinsam als Viehhändler in Gangelt und der Umgebung von Gangelt tätig, doch im Januar 1938 war es Juden verboten worden einen Betrieb zu führen, Handel zu treiben und Waren zu verkaufen. Für die Familie Leopold bedeutete dies, dass es ihr unmöglich gemacht wurde, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Deshalb fasste die Familie den Entschluss die Heimat zu verlassen. Die schon verheirateten Töchter Else und Frieda, die nach ihrer Heirat Gangelt verlassen hatten, waren bereits nach England geflüchtet. Im Oktober 1938 verliessen auch Hugo und Erich ihren Heimatort Gangelt. Wie so oft zuvor gingen sie an einem Sonntagnachmittag über den Grenzpunkt Mindergangelt-Schinveld nach Brunssum zu Verwandten, doch diesmal kehrten sie nicht mehr nach Gangelt zurück. Vielmehr reisten sie unmittelbar nach Hellevoetsluis in die Niederlande.

Hugo und Erich sind also in den vermeintlich sicheren Niederlanden, aber die Eltern lebten immer noch in Gangelt, wo die Lebensverhältnisse immer unerträglicher wurden. Auch sie wurden von den Auswirkungen der Pogromnacht getroffen. Ihr Nachbar, Bäckermeister Fritz Dömges half Ihnen so gut er konnte. Als er aber in der Nazi-Zeitung “Der Stürmer” als Judenfreund und als jüdischer Badewassererwärmer bezeichnet wurde, konnte er nur noch sehr eingeschränkt und heimlich helfen, um Schaden für sich und seine Familie zu vermeiden. Hugo und Erich versuchten in Hellevoetsluis mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Eltern nach Holland zu holen und erhielten schließlich im August 1939 die Aufenthaltsgenehmigung für die Eltern.

Für kurze Zeit kehrte etwas Ruhen im Leben der Familie Leopold ein, aber nach dem Überfall der Wehrmacht am 10. Mai 1940 war Holland auch kein sicherer Ort mehr. Im September 1940 wurden die Leopolds gezwungen ihren Wohnsitz zu verlassen. Allen Ausländern wurde das Wohnen in der Nähe der Küste verboten. Durch sie befürchtete man Spionage. Zusammen zogen die vier Familienmitglieder nach Tilburg, wo eine Bekannte ihnen eine Wohnung besorgte. Während seines Aufenthaltes in Hellevoetsluis heiratete Hugo im November 1941 Franciska Wohlmuth. Zusammen kommen auch sie nach Tilburg.

Als ihr Sohn Walter im Frühjahr 1942 geboren wurde, ist das von allen bewohnte Haus völlig überbelegt. Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch davon überzeugt, schon bald nach Amerika auswandern zu können. Ab August 1942 aber änderte sich die Gesamtsituation dramatisch zum Negativen. Die jüdischen Einwohner wurden aufgefordert, sich zu melden, um nach Ost-Europa in Arbeitslager überführt zu werden. Erich meldet sich nicht. Er flüchtet über Belgien nach Frankreich. Als Untergetauchter und Mitglied der “Resistance” verbrachte er die gesamten Kriegsjahre in Paris.

Die Lage in Tilburg wurde äußerst problematisch für die Eltern Leopold und für Hugo mit seiner Familie. Sie beschlossen, der Aufforderung, sich zu melden, nicht nachzukommen und sich zu verstecken. Es gelang ihnen, verlässliche Verstecke zu finden. Das war nicht einfach, zumal Franciska mit ihrem zweiten Kind John schwanger war, und dieses Kind auch in ihrem Versteck zur Welt brachte. Es waren entsetzlich schwere Zeiten in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Vier Erwachsene und zwei kleine Kinder in engen Räumen.

Lion und Ida haben es etwas ruhiger angetroffen. 23 Monate lang lebten sie in einem kleinen Haus bei einer Frau und deren 10-jähriger Tochter. Sie wurden weder gefunden noch verraten. Das Haus aber konnten sie nicht verlassen. Und obschon sie nicht weit entfernt von ihrem Sohn Hugo und seiner Familie wohnten, konnten sie sich während der gesamten Zeit kein einziges Mal sehen.

Kurz nach der Geburt von Hugos und Franciskas drittem Kind Harry brachen für die Familie sehr harte Zeiten an. Aus Angst entdeckt zu werden begaben sie sich im Mai 1944 auf die Suche nach einer neuen Bleibe im Untergrund. Sie hinterließen das neu geborene Baby bei dem Arzt, der als Geburtshelfer tätig war. Hugo und Francisca mit den Kindern ziehen um in das Städtchen Oisterwijk. Dort lebten sie jetzt mit gefälschten Papieren als Flüchtlinge aus Rotterdam. Sie mieteten ein Haus und versuchten so normal zu leben, wie die übrigen Einwohner des Ortes.

In Oisterwijk erlebten sie im Monat Oktober 1944 die Befreiung. Nach langer Zeit der Trennung sahen sich Lion und Ida, Sohn Hugo, dessen Frau sowie ihre drei Enkelkinder wieder.

Erich, der sich in Frankreich aufhielt, kehrte nach der Befreiung von Paris nach Holland zurück und traf hier seine Familie wieder. Im Verlaufe der nächsten Monate wurde auch das Schicksal der Geschwister Else und Frieda bekannt. Auch sie haben den Krieg überlebt. Else, ihr Mann Henri Wolff und ihre Tochter Ursula hatten England bei Zeiten erreichen können. Schließlich gelang es ihnen die richtigen Papiere zu erhalten und mit einem der letzten Passagierschiffe im Oktober 1940 Amerika zu erreichen.

Auch Frieda wanderte nach Kriegsende nach Amerika aus. Die gesamten Kriegsjahre verbrachte sie mit ihrem Mann in England.

Lion und Ida übersiedeln 1947 von Tilburg nach Amerika.

Nach dem Krieg ist Erich nach Paris zurückgekehrt, wo er im Dienste der alliierten Streitkräfte tätig war. Er folgte seiner Familie 1948 nach Amerika.

Hugo, Franciska und die drei Kinder Walter, John und Harry waren die Letzten. Gemeinsam kamen sie 1951 von Tilburg aus in Amerika an.