In der Gangelter Bruchstraße wohnte in den 1930er Jahren die Familie des Zigarrenmachers Emil Falkenstein mit seiner Frau Jeanette-Henriette und den Kindern Hermann und Meta.
Emil Falkenstein war 1920 ein Mitbegründer der freiwilligen Feuerwehr Gangelt. Er war damals bereits 50 Jahre alt. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde Emil Falkenstein im Juni 1933 kommentarlos aus der Feuerwehr ausgeschlossen. Wegen Umsatzeinbußen mußte Emil Falkenstein sein Geschäft schließen und verzog mit seiner Frau am 05.06.1939 nach Aachen in ein jüdisches Altersheim.
Sohn Hermann, übrigens ein hervoragender Stürmer im hiesigen Fußballclub “Viktoria 08”, wollte die Drangsalierungen nicht länger über sich ergehen lassen und flüchtete am 23. Dezember 1936 in das benachbarte niederländische Sittard. Dort eröffnete er am 01. Januar 1937 ein Großhandelsgeschäft für chemische Artikel. Im September 1937 verlegte er das Geschäft in das niederländische Roermond, wobei ihn sein Schwager Albert Marx unterstützte, und das Geschäft zusammen mit Hermann führte. Ende 1939 trat Hermann aus dem Geschäft aus.
Hermann heiratete die Niederländerin Mietje van der Sluis, die am 2. August 1913 in Meppel geboren wurde. Mit ihr zusammen eröffnete er ein Einzelhandelsgeschäft für Galanteriewaren in der Bergstraat 3 in Roermond. Hier wurde am 3. September 1941 ihr gemeinsamer Sohn Emil Hans Falkenstein geboren.
Die deutschen Besatzungstruppen schlossen ihr Einzelhandelsgeschäft und zwangen Hermann und Mietje ab dem 2. Mai 1942 den Judenstern zu tragen. Als die junge Familie im August 1942, kurz vor dem ersten Geburtstag ihres Sohnes die Einberufung in ein Arbeitslager im Osten bekam, flüchteten Sie mit ihrem Sohn zu Verwandten von Mietje nach Amsterdam. Als einige Tage später, am 25. August 1942, die niederländische Polizei zur Wohnung der Falkensteins in Roermond fuhr, um diese zu verhaften, war die Wohnung leer.
Die niederländische Polizei erließ daraufhin Haftbefehl für die Familie Falkenstein. Da es für die junge Familie zu gefährlich wurde, brachten sie ihren Sohn Emil Hans bei dem kinderlosen Ehepaar Henk und Mimi Meinema in Amsterdam unter. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, nannten die beiden das Kind Eddy, weil der Name Emil Hans zu Deutsch klang. Die beiden zogen das Kind wie ihr eigenes auf. Hermann und Mietje hielten sich in der Nähe versteckt und konnten so ihr Kind regelmäßig besuchen.
Bei ihrem Besuch am 6. Juli 1943 wurden Hermann und Mietje jedoch festgenommen.
Sie wurden beschuldigt, ihren Wohnsitz ohne die erforderliche Genehmigung geändert zu haben und wurden deshalb in das Konzentrationslager Westerbork eingeliefert. Von dort aus wurden sie eine Woche später, am 13. Juli 1943, in das Vernichtungslager Sobibor (Polen) deportiert. Hermann und Mietje wurden dort am 16. Juli 1943 ermordet.
Ihr Sohn Emil Hans “Eddy” wurde nach dem Krieg von seiner Tante Meta Marx adoptiert. Sie hat den Holocaust überlebt und wohnte seit 1952 in Eindhoven, wo sie am 02.12.1988 verstarb.
Auch Emils Tochter Meta, musste Gangelt verlassen. Sie zog am 24. August 1938 zu ihrem Freund Albert Marx nach Roermond, den sie dort heiratete. Sie überlebte den Holocaust.
Emil und Jeanette wurden am 25. Juli 1942 von Aachen nach Theresienstadt deportiert und von dort in das Vernichtungslager Treblinka verbracht. Hier wurde Emil am 29.09.1942 ermordet. Seine Frau Jeanette wurde am 26.09.1942 ermordet.
Emil Falkenstein hatte noch zwei Schwestern, die schon vor der Nazizeit Gangelt verließen und nach Holland verzogen und dort Familien gründeten.
Julia Zeligman wurde am 29. Oktober 1942, ebenso wie ihre ganze weitere Familie im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet. Julias Tochter Helena Croonenberg wurde zusammen mit ihren beiden Kindern Erna (geb. am 16. März 1929) und Julienne (geb. am 20. März 1933) zwei Tage später, am 31. August 1942, ermordet. Auch Julias Sohn Erich mit Ehefrau Irma Auguste de Vries und Kind Joseph fanden allesamt den Tod im Konzentrationslager Auschwitz.
Emils jüngere Schwester Wilhelmine “Minna” Sassen wurde am 14. Mai 1943 im Vernichtungslager Sobibor getötet.